Die Eisenbarth-Orgel

Erbauer: Orgelbau Eisenbarth, Passau
Disposition: Domorganist Hans Leitner, Passau
Prospektgestaltung: W. Eisenbarth, J. Lechner, Fr. Koller, M. Mayerle
Mensuren: W. Eisenbarth
Technische Planung: P. Kundela, E. Csibsi
Intonation: W. Eisenbarth, G. Schmidhuber
Ausschreibung: 13.12.1996

Fertigstellung und Abnahme:

31.07.1998

 orgel 2011

Klangbeispiel der Orgel:


Durch die Aufstellung der Orgel im ehemaligen Presbyterium ist der "Chorraum" und die "Chororgel" vom Gottesdienstbesucher direkt einsehbar. Diese Anordnung verlangt von unseren Chormitgliedern eine große Disziplin, gleichzeitig ist der Chor aber unmittelbarer mit dem Geschehen am Altar und der feiernden Gottesdienstgemeinde verbunden. 

Orgel1 Orgel2


Der Chor- und Altarraum bietet sich für geistliche Konzerte gerade zu an. Auch  Chöre  mit großer Mitgliederzahl und entsprechendem Orchester finden genügend Platz wie z. B. beim Konzert der Mädchen der Sakaide-Oberschule aus Japan am 30. April 2002:

 Japan1


Domorganist Hans Leitner über die neue Orgel

Liebe Pfarrgemeinde!

Zu Ihrer neuen Orgel, an deren Zustandekommen ich mitbeteiligt sein durfte, beglückwünsche ich Sie sehr herzlich.

Das Aussehen, den Aufbau und den Aufstellungsort betreffend ist Ihre Orgel ein ganz einmaliges Instrument.

Ziel dieses Orgelbaus war, einmal mit relativ wenigen Registern den großen Raum klanglich bestmöglich zu füllen und dabei viele noch brauchbare Register der alten Orgel wieder zu verwenden. Weiteres Ziel war, die Orgel an ihrem eigentlichen Ort, den "Chorraum", der durch die Vorverlegung der Altarinsel freigeworden war, zu stellen. Eine nicht einfache Aufgabe war es, den Orgelprospekt, also die Schauseite der Orgel so zu gestalten, dass er sich mit der unkonventionellen modernen Ausgestaltung der Kirche gut verträgt. Die Pfeifen sollen gewissermaßen einen Strahlenkranz hinter dem Kreuz bilden. Die Aufstellung des Spieltisches mit Blickrichtung zum Altar steht in guter Tradition; sie gewährleistet die beste Sicht des Organisten zum Altar und zu einem Dirigenten. Eine Besonderheit ist auch die dritte Klaviatur am Spieltisch das Solomanual. Diese vier Register setzen sich alleine gut durch und verleihen dem Gesamtklang der Orgel im vollen Werk eine besondere Klangstärke.

All diesen nicht ganz einfachen Aufgaben und Zielen ist die Orgelbaufirma Eisenbarth aus Passau in bester Weise gerecht geworden. Ihr und allen Menschen, welche die Orgel entweder hören oder selber spielen, gratuliere ich nun ganz herzlich zu diesem neuen besonderen Instrument und auch überhaupt zur mutigen zukunftsweisenden Gestaltung der ganzen Kirche.

Domorganist und Domvikar

Hans Leitner


Die Disposition: 

Hauptwerk I. Manual

Schwellwerk II. Manual

Pommer

16‘

Hohlflöte

8‘

Prinzipal

8‘

Salicional
Fugara      

8‘
4‘

Rohrflöte

8‘

Blockflöte

4‘

Oktav    

4‘

Nachthorn

2‘

Spitzflöte

4‘

Quint

1 1/3‘

Nasat

2 2/3‘

Terz

1 3/5‘

Superoktav

2‘

Mixtur 3-4f.    

1‘

Mixtur 4-5f.

1 1/3‘

Oboe   

8‘

Trompete

8‘

Tremulant 

 

       

Solowerk III. Manual

Pedal

Cornet 5f.

8‘

Prinzipal

16‘

Chamade

8‘

Subbaß

16‘

Flute

8‘

Cello

8‘

Tuba mirabilis

8‘ 

Gedecktbaß

8‘

   

Choralbaß

4‘

   

Fagott

16‘

 

Koppeln: II-I, III-I, III-II, I-P, II-P, III-P mechanisch

Super III, III-II, III-I, III-P

Sub III, III-II, III-I, III-P elektrisch

 

 

 

 

 

 

 

  

   

 

 

 

 








 

 

 


Gedanken des Orgelbaumeisters Wolfgang Eisenbarth zur neuen Orgel

Von den meisten Menschen wird am Orgelbau zunächst traditionelle handwerkliche Arbeit mit edlen Hölzern, Metallen und natürlich gegerbtem Leder bewundert; aber es tauchen dann auch immer Fragen nach anderen, modernen, technischen Fertigungsmöglichkeiten auf.

Wenn das Gespräch schließlich in den musikalischen Bereich mündet, für den die Orgel ja das Klangmedium bildet, kommt es unweigerlich zur Frage: Nach welchen Kriterien soll man eine Orgel im ausgehenden 20. Jahrhundert bauen, denn die Orgel ist nicht Selbstzweck, sondern soll in ihrem ursprüglichen Wortsinn gerecht werden und gehört folglich in den Bereich des Kunsthandwerks, also der angewandten Kunst. Aufgabe des Orgelbauers ist es daher, dem Interpreten das entsprechende Instrument in die Hand zu geben, mit dem er die Gedanken des Komponisten – oder seine eigenen – quasi in einer Kunst zweiter Ordnung zu Ende formt. Es genügt demnach nicht, sich auf die Imitation – und sei das Vorbild noch so berühmt – zu beschränken, sondern man muss auf historisch bedeutendem Bestand aufbauend zu einer eigenständigen und damit künstlerisch wertvollen Lösung kommen.

Damit rückt die Stilfrage in den Vordergrund, da im Musikleben hauptsächlich Werke vergangener Jahrhunderte „tonangebend“ sind und die Musik unseres Jahrhunderts gerade in den letzten 20 Jahren oftmals zu mehr Irritation als zur Bereicherung geführt hat.

Zeitgenössische Musik versucht vielfach durch bewusstes Dehnen der Zeitabläufe den traditionellen Begriff der Form unkenntlich zu machen und zu einer besonderen Hörweise zu provozieren. Dadurch entstand eine Beziehungslosigkeit der nur mehr einzeln wirkenden Teile, so dass deren Spannungsfeld und somit das Zusammenwirken zu einer Synthese verloren ging.

Mit dem Wunsche immer etwas „Neues“ zu bringen, wobei vielfach pseudowissenschaftliche Erläuterungen angefügt wurden, in der Denkweise „l‘art pour l‘art“ ging dann schließlich die Verbindung zum Zuhörer verloren. Es ist deshalb notwendig, sich auf die wesentlich zu erkennenden Momente und Elemente der Musik zu besinnen, ihre Grenzen zu sehen und zu einer auf den Menschen bezogenen Darstellung zu führen, die durch die Synthese aller Einzelteile zu einer höheren Qualität führt.

Die Orgel als Instrument gibt dafür ein hervorragendes Beispiel, denn sie kann als ein Symbol menschlichen Erfindungsgeistes betrachtet werden. In einer Atmosphäre freier wissenschaftlicher Entfaltung auf der Grundlage griechischer Philosophie ist die Orgel in ihren wesentlichen Grundelementen um 270 v. Chr. in Alexandria entstanden: Die Tonerzeugung durch Pfeifen, das Herstellen einer regulierbaren Windversorgung und die mechanische Ventilsteuerung (Traktur). Mit dem Einzug in die Kirchen etwa ab dem 8. Jahrhundert, kam ein viertes Element, das Gehäuse als Resonanz-Körper und architektonisches Gestaltungselement hinzu.

Diese Teilbereiche wurden im Laufe der Zeit gemäß den musikalischen Ansprüchen weiterentwickelt und in den Herstellungsmethoden verfeinert, vor allem bei der Entwicklung wesentlich größerer Instrumente. Voraussetzung für ein gutes Insrument war und ist aber immer, daß diese vier Grundelemente organisch und qualitativ aufeinander bezogen sind. Diese Homogenität ist im Wesentlichen im Verlauf der Weiterentwicklung bis zur Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert gegeben. Dann allerdings gab es einen kurzzeitigen Einbruch in Folge mit industrieller Fertigungsmethoden mit pneumatischen und elektrischen Tontrakturen. mit der durch die elsässisch – deutschen Orgelreform entstandene Renaissance der Barockorgel hat man sich aber rasch wieder auf das Wesentliche und Wertvolle besonnen. Zu Beginn der elsässischen Reform hat man die Überfrachtung durch Grundstimmen vermindert und durch barocke Stimmen vor allem im Mixturen– und Aliquotenbereich ergänzt.

Bedingt durch die politische Entwicklung konnte der Reformgedanke erst nach dem 2. Weltkrieg zum Tragen kommen und führte – bisweilen heute noch – zu einer radikalen Zäsur, die noch die frühbarocke und bzw. Renaissance-Orgel als Maßstab gelten lässt. Und nun werden allenthalben in neobarocke Grundkonzeptionen romantische Elemente einbezogen, also eine Umkehrung des ursprünglichen Elsässischen Reformgedankens, resultierend aus dem Bestreben weiter Organistenkreise ein breiteres Spektrum an Literatur darstellen zu können. Dies ist auch nicht verwunderlich, da im übrigen Konzertbereich Musik aus vier Jahrhunderten geboten wird, im Gegensatz zu früher, wo man abgesehen vom Gregorianischen Choral im Allgemeinen nur aktuelle Kompositionen zur Aufführung brachte.

Folglich haben wir uns bemüht, auf der Basis der von Herrn Domorganisten Hans Leitner, Passau, erarbeiteten Disposition, eine Orgel zu bauen, die ein in sich geschlossenes handwerklich gebautes Instrument darstellt, das auf den Kirchenraum abgestimmt und intoniert ist. Die der Mensurierung zugrunde liegenden und damit das Klangbild bestimmenden Parameter resultieren aus unserer 50-jährigen süddeutschen Werkstatt-Tradition mit deutlichen Einflüssen aus dem romanischen Raum, sowie den akustischen Bedingungen dieser Kirche. Die darauf aufbauende Intonation ist auf deutliche Eigencharakteristik der einzelnen Stimmen wie auch auf eine gute Mischfähigkeit ausgerichtet, die zudem neue Klangfarben entstehen lässt.

Zur Traktur und Windversorgung
Die Tontraktur ist einschließlich aller Normalkoppeln mechanisch mit der Schleiflade, die nach strömungstechnisch relevanten Kriterien konstruiert wurde, so daß in Verbindung mit einer leichtgängigen Traktur ein sensibles und ausdrucksfähiges Musizieren gewährleistet ist.
Die Octavkoppel– und Registertraktur ist elektrisch.
Die Windanlage besteht aus einem System von Magazin- und Ladenbalgen. Die Winddrücke betragen 80 mm jeweils im Haupt– und Schwellwerk, 95 mm im Hauptpedal und 120 mm im Großpedal, 125 mm im Solowerk.

Zur Orgelanlage und Prospektgestaltung:
Die Anlage folgt klassischen Prinzipien, also in der Mitte das Hauptwerk mit Principal 8‘ und der Chamade 8‘ im Prospekt. Dahinter befindet sich das Schwellwerk.

Der Spieltisch wurde aus musizierpraktischen Erwägungen freistehend am Untergehäuse mit Blick des Organisten zum Altar gebaut.

Gehäuse– und Prospektgestaltung sind in vorbildlicher Zusammenarbeit mit Herrn Diözesanbaumeister Lechner, sowie Herrn Koller, Laufen entstanden.

So besitzt diese Kirche heute ein ihrer neugestalteten Innenarchitektur entsprechendes Instrument.

Möge der Klang dieser Orgel Geist und Phantasie Raum geben, um den Spieler zu inspirieren, dem Hörer zum sursum corda zu werden und zur Überhöhung der Liturgie beitragen.

Um mit Johann Wolfgang von Goethe zu sprechen: „... der Mensch ist nicht nur ein denkendes, er ist zugleich ein empfindendes Wesen. Er ist ein Ganzes, eine Einheit vielfach verbundener Kräfte. Und zu diesem Ganzen des Menschen muß das Kunstwerk reden.“ (Literaturkritk Goethes an den Verleger Cotta, 14.11.1808)

Passau im September 1998                                           Wolfgang Eisenbarth

 

 
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